Zwangsarbeiter:innen gehörten in der Zeit von 1939 bis 1945 auch in der „Ostmark“ zur Normalität des Kriegsalltags. Zivile Zwangsarbeiter:innen aus ganz Europa, Kriegsgefangene, KZ- und Justizhäftlinge, Roma und Sinti sowie andere Ausgegrenzte wurden systematisch zur Zwangsarbeit in Industrie, Landwirtschaft, Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben, beim Straßenbau oder auch in privaten Haushalten eingesetzt. Untergebracht waren die Zwangsarbeiter:innen meist in Sammelunterkünften direkt am Ort ihres Arbeitseinsatzes – in leerstehenden Gebäuden, Gasthaussälen oder in eigens errichteten Baracken auf dem Firmengelände. So sichtbar vor allem zivile ausländische Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene während der Kriegsjahre in fast allen Städten und Gemeinden waren, so wenig erinnert heute an sie. Die ehemaligen Lager wurden abgebaut oder anderen Verwendungszwecken zugeführt. Erhalten geblieben sind Gebäude, die während der NS-Zeit durch Zwangsarbeit errichtet wurden. Das Wissen um ihren ‚belasteten‘ historischen Hintergrund wurde jedoch meist nicht in die lokale Geschichtsschreibung aufgenommen. Im Rahmen des Forschungsprojekts „‚NS-‚Volksgemeinschaft‘ und Lager. Geschichte – Transformation – Erinnerung“ (2022-2024), durchgeführt vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs in Kooperation mit dem Stabsbereich „Digital Memory Studies“ (Department für Kunst- und Kulturwissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems), waren Citizen Scientists wichtige Forschungspartner:innen.
Eine besonders aktive Gruppe hat sich im Bezirk Krems gebildet. Ihre Forschungsergebnisse und Spurensuchen liegen nun in diesem Buch vor. Die ehrenamtlichen Forscher:innen haben sich auf sehr unterschiedliche Weise in das Forschungsprojekt eingebracht: Sie haben nach NS-Lagern und Zwangsarbeit im eigenen Ort geforscht, Zeitzeug:innen interviewt oder in Archiven recherchiert. Sie haben nach Lagerstandorten gefragt, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter:innen rekonstruiert und sich dabei manchmal auch auf Spurensuche in den eigenen Familien begeben. Andere haben Kontakte vermittelt oder wertvolle historische Dokumente in Familienbesitz ausfindig gemacht. Ein wichtiger Teil des Engagements waren Erkundungen vor Ort: Ein Team von Fotograf:innen hat sich auf die Suche nach Spuren ehemaliger Lagerorte gemacht, den gegenwärtigen Zustand mit historischen Quellen verglichen und dokumentiert. Aber auch Nachkommen von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter:innen aus Belgien, Frank reich, Italien, Serbien, UK, Polen und den USA haben sich an den Nachforschungen beteiligt. Sie stellten zunächst digitalisierte Dokumente und Fotos aus Familienbesitz zur Verfügung und er zählen in diesem Buch von ihren eigenen Spurensuchen und dem Schicksal ihrer Vorfahren. Diese Erzählungen zeigen, dass vor Ort ‚vergessene‘ Erfahrungen und Ereignisse von betroffenen Familien andernorts noch Generationen später erinnert werden.
Buchausgabe erhältlich im Buchhandel und unter:
https://shop.tredition.com/booktitle/NS-Lager_und_Zwangsarbeit_im_Bezirk_Krems_1939_-_1945/W-152-470-842
978-3-903470-17-0